Freitag, 25. März 2011

Fußgängerampelzeit

Ampeln für Fußgänger haben in Chile eigentlich nur Empfehlungscharakter. Man muss die Kreuzung halt kennen, wenn man es wagen will bei Rot rüber zu pesen. Misslingt immer mal. Die Grün-Zeiten sind sehr viel länger als in Deutschland, es gibt nur eine Kreuzung hier in der Stadt an der man echt flitzen muss, das heißt in unserem Alter käme man normalerweise locker zweimal über die Strasse, hier schwingt man ja den Po gemächlicher . Damit man weiß wieviel Zeit man noch hat, blinkt das Ampelmännchen bevor es auf Rot umschaltet. Manche Fußgängerampeln haben eine Leuchtschriftanzeige wieviele Sekunden noch vergehen müssen bis wieder Grün ist.

Zeitbeweglichkeit

Also eigentlich hätten wir am 12. März die Uhren eine Stunde zurückstellen sollen, aber weil es so trocken ist, es deshalb nich so viel Strom gibt, wurde der cambio de hora auf den 2. April verschoben. Deutschland stellt morgen nacht auf Sommerzeit um, dann haben wir 5 Stunden Abstand, ab 3. April 6 Stunden. Hier wird die Zeit um Mitternacht umgestellt. Der Effekt der Verschiebung der Zeitumstellung ist, dass die Flugzeuge seit 13. März eineStunde später als auf dem Ticket angegeben in Santiago abfliegen.
P. S. Jetzt wird die Zeit doch erst am 7. Mai umgestellt, lohnt dannschon fast nicht mehr.

Chile - essen und trinken

http://www.youtube.com/watch?v=BE2hk_fTVPE&feature=player_embedded

Dienstag, 22. März 2011

virtueller Ausflug nach München

http://mediacenter.dw-world.de/german/video/#!/101185/Autorenschmuck_Zwischen_Design_und_Kunst_euromaxx

Sonntag, 20. März 2011

RAMADAMA auf Chilenisch

Zuerst war ich ja misstrauisch, als mir mein Schüler R.G. (11. Kl.) die Idee unterbreitete, dass er mit Mitschülern einen Teil des Betts des Marga Marga (unseres meist ausgetrockneten Flusses inmitten der Stadt) vom angesammelten Unrat befreien wolle. Aber immerhin hatte der blonde Sportlertyp, der, wenn er Deutsch könnte, auch jeden Deutschland -Test bestanden hätte, schon eine längere Aktivitätenliste vorzuweisen: Vorsitzender der SMV-Kommission für Soziales, nächtliche Versorgungsfahrten mit seinen Mitschülern zu Obdachlosen, um ihnen Kaffee, Suppe und Sandwiches zu bringen – natürlich begleitet von einem Lehrer und in Zusammenarbeit mit Initiativen wie „Hogar de Cristo http://www.hogardecristo.cl/“ oder Studenteninitiativen wie „Sonrie“.

Da wir mittlerweile an der Schule etwas organisierter sind, verwies ich ihn an die Abteilung für Werteerziehung und den zuständigen Religionslehrer - und siehe da, auch die waren schnell überzeugt: wir befinden uns ja auch gerade im „Monat der Verantwortlichkeit“ (Mes de la Responsabilidad) – einschließlich Spruchband über dem Schultor.

Als ich am Samstag schon um 9.30 Uhr am Einsatzort, der Puente Cancha, eintreffe, bin ich erwartungsgemäß allein – nein! – genauso pünktlich taucht mein blonder Schüler auf, und binnen einer halben Stunde sammeln sich im Flussbett 25 Schüler, alle mehr oder weniger unausgeschlafen. Und schon prescht in einer großen Staubfahne Gladys in ihrem Kleinwagen heran, die Mutter der Nation, die in ihre Schürze gehüllt, ihre Alki-Kundschaft genauso an den Busen drückt wie meine adrett gekleideten Schüler. Die haben brav ihre elterliche Erlaubnis abzugeben, sonst dürfen sie nicht mitmachen – Versicherung und so …Und dann geht’s aber los, denkst du. Ja, tut es auch, aber anders als gedacht. Als erstes muss nahezu rituell Kaffee getrunken werden: Pulverkaffe mit viiiiieeeeel Zucker und dazu eines der Sandwiches, die von der Versorgungsfahrt letzte Nacht übrig geblieben sind. Wer noch fehlt, ist die Municipalidad (Stadt), die Schaufeln, Schubkarren und einen Laster zum Abtransport des gesammelten Drecks versprochen hat. Und bei dessen Anblick sinkt der Mut! Man stelle sich ein breites Flussbett vor, aber mit einem reduzierten Wasserlauf am anderen Ufer, so dass sich mitten durch die Stadt für 10 Monate ein breites Band staubigen Drecks zieht, das vielfältig genutzt werden kann: Markt, Parkplätze, Sandgewinnung, Zirkusplatz und eben Aufenthalt für die, die keinen anderen haben: personas de la calle. Sie haben es sich unter der Brücke gemütlich eingerichtet: es gibt all das Nötige: eine Küche (Feuerstelle und Feuerholz aus dem Abfall), Schlafzimmer (alte Matratzen und Decken in verschiedenen Stadien des Verfalls), Klo (überall). Und es gibt eine saubere, von allen respektierte Revier-Einteilung, Zoning würden wir heute besser sagen: oberhalb der Brücke: die Areneros, blutarme Männer, die ihren Lebensunterhalt mit dem Sieben des Fluss-Sandes gewinnen. Weit unterhalb der Brücke: die Feria, der Wochenmarkt der Bauern aus dem Umland. Und unter der Brücke samt Umfeld: die Obdachlosen, sauber voneinander geschieden die harmlosen auf unsere Seite und die drogensüchtigen, bewaffneten Lanzazos auf dem schmalen Gegenufer.

Wir teilen uns die Arbeitsgebiete ein und räumen erst mal unter der Brücke auf. Und dann geht es systematisch an den Uferhängen und dem Flussbett entlang los. Man stelle sich vor, man versucht die Müllkippe von Großlappen in München aufzuräumen, denn eigentlich ist hier alles Müll: von der Brücke werfen die Passanten Zeug runter wie´s grad kommt. An der Uferböschung scheint systematisch schwarz Bauschutt entsorgt worden zu sein, und das Schicht um Schicht. Dann haben unsere Bewohner auch nicht das große Umweltgewissen. Und was der Fluss in seiner letzten Hochphase zurückließ, ist auch nicht vom Feinsten. Nun stelle man sich aber vor, dass bei jeder Bewegung eines Müllschnipsels gleichzeitig eine Wolke feinsten Staubs des ehemaligen Flussschlamms aufsteigt und mit dem Wind flussaufwärts wandert. …Wir haben beschlossen, große Haufen zu bilden und unsere gesammelten Funde dort aufzustapeln, meist ein Gemisch aus vertrockneter Vegetation (maleza), Bauschutt und dem eigentlichen Abfall. In der zunehmend stärker werdenden Sonne verwandeln sich meine Schüler in schwitzende, graue Gespenster, deren anfangs bunte Freizeitkleidung alles Kolorit verliert.

Mittlerweile sind nicht nur Passanten neugierig geworden (man sollte Eintrittkarten auf der Brücke verlangen!) und auch die Obdachlosen nähern sich staunend. Die Municipalidad hat ihr Friseur-Geschwader geschickt, die den armen Teufeln unentgeltlich das widerborstige Haar stutzt und Gladys hat den riesigen Topf aufs Feuer gesetzt, in dem sie eine riesige Mischung aus Eintopf und Suppe bereiten wird – die Zutaten haben wir für diesen Höhepunkt des Tages gestiftet.

Meine Schüler schaffen fest und halten sich wacker, auch recht zarte Mädels im dekorativen Outfit! In Staubwolken gehüllt türmen sich recht ansehnliche Abfallhaufen auf - jedoch, wenn man die Sache mit Abstand betrachtet, so wird einem die Vergeblichkeit unseres Unterfangens und die Unangemessenheit unserer Mittel klar!

Doch keine Zeit, denn mittlerweile hat uns die Presse entdeckt. Der Mercurio ist da mit Reporterin und Photograph – es entstehen jene gestellten, vermeintlich aussagekräftigen Bilder und bedeutungsschweren Texte, die leider für die Öffentlichkeitsarbeit so nötig sind und die für meine Schüler die einzige Form der Belohnung darstellen, die ihnen zu Teil werden wird. Nein, da ist die beglückende Erfahrung der gemeinsamen, sinnvollen Tätigkeit, da ist der Kontakt mit „Fremden“, die sich plötzlich als super-kooperative Kumpel entpuppen, da ist die allgegenwärtige Gladys, die warmherzig alle mit Wasser versorgt, was die Hoffnung weckt, dass in dieser so segregierten Gesellschaft vielleicht doch eine gemeinsame Zukunft möglich ist. Wie verquer die Mentalitäten sind, zeigt sich für mich darin, dass sich mittlerweile etwa 30 Obdachlose eingefunden haben, die uns Kaffee-trinkend begeistert beobachten und laut palavern, doch nur 2 entschließen sich, mit anzupacken. Schade!

Und übrigens war der von der Stadt geschickte Laster ein Kipper mit geschätzter Wangenhöhe von 2.50 m. Den aufzuladen war für mich die größte und frustrierendste Tortur! Aber das sieht man in den Zeitungsartikeln ja nicht!


Montag, 7. März 2011