Samstag, 26. April 2008

Schulalltag (1. Teil)


Auch wenn jeder Tag sehr unberechenbar und eigenwillig verläuft, so entwickeln sich mittlerweile doch etliche Routinen und Gemeinsamkeiten. Also greife ich willkürlich den heutigen Tag heraus, spreche ihm alle Individualität ab und lasse ihn sich entwickeln. Roll on, history!

Unter den Klängen von „Chile Tipica. La Musica y nuestras tradiciones“ des Uni-Senders UFSM (eine wilde Mischung aus B1 und B4) rolle ich am stramm grüßenden Portier aufs Schulgelände, überwinde die Schranke zum Hauptgebäude und parke (parkiere?) mein Fahrzeug standesgemäß vor dem des Sr Rector, der - wie immer - schon längst da ist. Unsere Fahrzeuge visualisieren durch Fabrikat und Parkplatzposition jedem Passanten die Hierarchie.

Drinnen bin ich also nicht der 1., sondern nur der4., denn vor mir hat nicht nur der Chef sein Tagewerk begonnen, sondern auch ein uralter Physik-Lehrer, der es in 2-3 Schulen auf über 50 Unterrichtsstunden bringen muss und der deshalb schon vorbereitend an seinem Stammplatz sitzt - oder hat er ihn gar nicht verlassen. Eine noch viel wichtigere Vorbereitung leistet unsere Aurora, das Faktotum und die gute Seele des Hauses. In ihrer winzigen Küche dampft und klappert es, denn um all den gleich zu spät kommenden Lehrkräften ein Frühstück zu bereiten, muss viel Wasser aufgekocht werden. Außerdem gilt es all die großen Thermoskannen mit heißem Chlorwasser zu füllen und anschließend an die Privilegierten zu verteilen: mich z.B., der ich stets ein pseudo-barockes Tischchen mit, bestückt mit Mineralwasser, Teebeuteln, Tasse, Glas und eben besagter Thermosflasche vorfinde.

Im Dienstzimmer stinkt immer der Plastik-Teppichboden, deshalb rein, Licht an, Schultasche runter, Computer an, Fenster auf, Pausebrot raus, Zugangscode rein, Terminkalender gecheckt, e-mails aufgerufen (und zwar genau in DER Reihenfolge!!!!!) und los geht’s.

Während die nachts aufgelaufenen e-mails mit erschreckender Hartnäckigkeit eintrudeln, grüßt der Mitarbeiter, der sich gleich um den Vertretungsplan kümmern wird, nicht ohne sich vorher nach dem Befinden seines Vorgesetzten und dem seiner Gattin zu erkundigen und den heutigen Stand seines Lumbago knapp zu umreißen. Da erscheint auch schon der Sr Inspector, die institutionalisierte Respektsperson einer chilenischen Schule, die hauptberuflich auf die Einhaltung der Details der Schuluniform achtet, Haarlängen begutachtet und Piercings absammelt. Meist hat sich ein besonders dreister Fall von Insolenz von Seiten eines IV°-Schülers ereignet, dem man, um Schlimmeren vorzubeugen, unbedingt heute mit der kombinierten Autorität von Inspector und Media-Leiter entgegentreten muss, weil sonst das komplexe Gebäude der disciplina Alemana endgültig zusammenbricht. Gott sei Dank fällt es mir morgens nicht schwer sehr ernst und bedenklich zu schauen.

Nachdem ich die ersten 6 e-mails vom DAV, VdLiCh, Dt. Haus, ZdI, Bibliothek des Goethe-Instituts und Chile Avanca! gesichtet habe, bleiben noch die Notizen des Chefs gebieterische Klagen des Dt-Fachleiters, wunderschöne Korrekturen meiner holzschnittigen Briefentwürfe vom Vortag durch meine liebe Sekretärin (die zu der Zeit gerade kämpft ihren pubertierenden Sohn aus dem Bett in die Schule zu befördern!) und meine nachts zuhause erstellten Unterrichtsvorbereitungen, die jetzt noch schnell auf Folien gebannt oder sonst wie verarbeitet werden müssen.

Franz, mein Chef, kommt zur Begrüßung vorbei und informiert über letzte Events (meist vom Vorabend) bzw. zu aktuellen Tagesereignissen. Dann wird es draußen laut und quirlig, mit einer gewissen Konzentration in dem vorher erwähnten kleinsten Raum, denn jetzt ist Frühstückszeit und jeder erhascht noch schnell eine Tasse des Nationalgetränks: Nescafé. Der Vertretungsplan hängt, die neuesten Aushänge sind gecheckt, die Citas („Erbitte Rücksprache“) verteilt, schon schrillt das 1. Klingeln und in dem engen Gang wirbeln diensteifrige Kolleginnen nach draußen, während verspätete Kollegen hereinwuseln und der Kopierer auf Hochtouren läuft. Ganz zufällig macht der Rector Subrogante (das bin ich!) seine Runde, wenn nicht gerade der Schülersprecher, einer Blitzidee folgend, den Antrag auf 4 Stunden spielerischer Gestaltung des „Día del alumno“ durch die SMV in radebrechendem Deutsch (ermuntert von mir in radebrechendem Castellano) vorbringt. Meist eile ich aber selbst die 2 Stockwerke hinauf, da ich selbst Unterricht habe, dabei hab ich noch Zeit, denn der Tag beginnt mit den „15 Minuten“, einer festen Viertelstunde, in der die Klassleiter, Entschuldigung: die Klassenlehrer mit ihrer Klasse zusammen sind und Organisatorisches, Disziplinarisches oder Tagespolitisches besprechen, derweilen ich auf dem Gang herumhänge und zu spät kommenden Schülern dumme Fragen stelle bzw. ebensolche Lehrer freundlich begrüße. Gleichzeitig suche ich mir aus der auf dem Korridor positionierten OHP-Flotte ein Vertrauen erweckendes Gerät aus und schiebe mich zu meinem Klassenraum, beeindruckt von den unterschiedlichen Atmosphären in den Klassenräumen. Vor manchen Türen stehen Schüler und warten („Vengo atrasado, no me deja entrar!“), andere Türen sind offen und unter einer Schicht von Schuluniformen ist der Lehrer kaum zu erkennen, der mit Handschlag und Umarmung begrüßt wird („Ola, profe, como estás?“ „Frau, Frau, no encontré mi chandal del uniforme, y por eso...“), hinter anderen Türen ist Schweigen (meditieren die oder sind Schüler wie Lehrer gar nicht da???)

Schließlich ertönt das markzerreißende Schrillen der Glocke und das Chaos beginnt: alles drängt sich auf den Gängen, denn wahlweise muss ein Fachraum aufgesucht werden oder die Klasse ist in Teilgruppen unterteilt oder alle müssen gleichzeitig nach den harntreibenden 15 Minuten aufs Klo. Jedenfalls herrscht ein Gedränge wie auf dem Gemüsemarkt on Viña, verstärkt durch die zahllosen Umarmungen und KüsschenKüsschen zwischen den Schülern und zwischen Schülern und Lehrern, die sich hier begegnen. Kaum 10 Minuten später ebbt der Lärm ab, die Türen schließen sich, die letzte versprengte Lehrkraft eilt zu ihrer Wirkungsstätte und nur noch verspätet irrende Schüler streben ihrem Unterricht zu - die Arbeit kann beginnen.

Mittwoch, 23. April 2008

Klein und braun und kann bis zu 1,5 m weit hüpfen, was ist das?

Herr Müller hatte einen Floh, der stach Herrn Müller irgendwo........ Dieses Ringelnatzgedicht war in einem Bilderbuch mit wunderbaren Illustrationen von Richard Seewald. Ich liebte dieses Buch als Kind, wusste allerdings nicht wie scheußlich sich Flohstiche anfühlen, besonders irgendwo hat man sie nicht gerne. Zunächst dachten wir als Floh-ungewohnte Mitteleuropäer an Mücken, nee nee es waren Flohstiche. Zum Glück war es nur einer, und ich habe ihn in der Badewanne ertränkt, nachdem er mir Kratzorgien verschafft hat. Es war wohl nur ein Hundefloh, der sich verirrt hatte, jedenfalls gibt´s keine Nachfolger, sonst hätten wir den Kammerjäger holen müssen für eine fumigación. In Schulen und Kindergärten wird regelmäßig geräuchert, damit sich kein Floh hält. Sie warten in Ritzen , wenn sie satt sind oder in Kleidern,und kommen erst wieder raus, wenn sie Hunger haben. Und wo holt man sich Flöhe? Überall wo Menschen und Tiere sind, im Bus , auf der Straße, im Sand. Der Floh macht erst eine Reihe kleiner Probestiche, bevor er sich richtig an die Arbeit macht. Die Stiche jucken viel stärker als Mückenstiche, vor allem wenn die Haut warm ist." Sie hat nen Floh, nen Flo, nen Florentinerhut, die sau, die sau, die saubere Madam "sangen die Großeltern mit uns .

Sonntag, 20. April 2008

Fragen?

Also , bevor der blog langweilig wird, wüßte ich gerne, was Euch interessiert. Wir haben uns an Vieles gewöhnt und sehen es vielleicht nicht mehr als interessant.

Samstag, 19. April 2008

Naivität oder eine Waschmaschine

Bisher hab ich die Wäsche in die Wäscherei gebracht. Auf die Dauer ist das doch lästig, also hab´ick mir über Waschmaschinen informiert und, naiv, wie ich bin, geglaubt dass es da ja keine Unterschiede geben kann. Freundin Gerti, die schon mal in Mexico gelebt hat, hat mich eines anderen belehrt, was ich bisher nur von Japan wusste, eine Waschmaschine in las Americas wäscht KALT. Aha. Luxus ist schon, wenn es noch einen Anschluss für den Gasdurchlauferhitzer gibt, da kann man dann heißes Wasser zuführen. Ja, und wie gehen die Fettflecken raus? Na, mit scharfem Waschmittel. Aha. Jetzt versteh ich endlich warum in deutschen Waschanweisungen immer steht, dass man kein chlorhaltiges Waschmittel zufügen soll. Jetzt weiß ich auch , warum die gewaschene Wäsche doch immer noch Flecken hat, kaltes Wasser, wenig Waschmittel, wenig Wasser. Also hab ich mir im Netz viele Waschmaschinen angesehen, fand eine ganz passabel, drei Temperaturen, von oben zu bestücken. Hurtig eilte ich zum Fachhandel. Nee, nee, also drei Temperaturen bedeutet nicht, dass die Maschine die Temperatur selbst herstellt, und ausserdem sind alle Maschinen, die von oben bestückt werden solche Kaltwäscher, nur die mit Bullauge haben ein Heizsystem, alles Import. Also gut, na dann. Das einzige Problem ist jetzt der Platz, die Maschine muss in der Garage stehen, da ist ein Anschluss, weil sie an der Front zu öffnen ist , kann man also nur waschen, wenn das Auto nicht drin ist. Was es alles für Verknüpfungen gibt! Die Maschine steht schon in der Garage, allerdings unausgepackt, auspacken und anschließen macht eine andere Firma. Auf die Maschine gibt es ein Jahr Garantie, auf den Anschluss, wenn er inclusive Material bezahlt ist, drei.

Freitag, 11. April 2008

Was tätet Ihr?

Vor einer Woche sprach mich einer der Parkplatzeinweiser an, ob ich ihm 15000 Pesos leihen könnte, ca 50 €, sie drehen ihm das Gas ab. Ok, ich habe ihm das Geld gegeben, is ja sicher auf nimmer Wiedersehen. Heute ein anderer, ob ich seinem Bruder 2000 pesos, 3€, geben könnte, das Gas.... Spricht sich wohl rum, wa? Aber ich kann ja schlecht sagen, nee Freunde gibt´s nich, ausserdem steigen die Gas-und Strompreise wirklich unglaublich. Man kann Anträge auf Minderung der Rechnung stellen, ich glaube aber, dass es da eine Hemmschwelle gibt, ich nehme an , dass man wenigstens schreiben können sollte, und da bin ich mir bei den Herren nicht so sicher.

Donnerstag, 10. April 2008

Wintervorbereitung

Plötzlich gibt es überall emaillierte altmodische Kohleherde zu kaufen. Außerdem kleine eiserne Öfen für Holz, und dann natürlich die bekannten Gas-Estufas, fahrbare Öfen in denen eine Gasflasche steht. Sie werden schnell warm, schnell wieder kalt und erzeugen Feuchtigkeit. Auch wir bereiten den Winter vor: Eine Ladung Eucalyptusholz für den Kamin liegt vor dem Eingang, große Mengen tesa-moll liegen bereit um den Ausblick in den Garten durch geschlossene Türen zu verhindern. Und die Schaufenster: Sie sind voll mit Leggings, Stiefeln , eher mit rein ästethischer Funktion, Schals , Jacken, Mäntel, wie halt bei uns auch. Im Supermarkt gab´s Wärmflaschen, eine ganze Stellwand voll, nach einem Tag waren sie weg. Sie sind rosa oder blau, logisch, und riechen nach künstlichem Aroma, unterlegt mit Gummigeruch. Ausserdem legt sich alle Welt jetzt Thermosgefäße jeder Art zu. Für Konzerte und andere Darbietungen braucht man sich jetzt nicht mehr schön anziehen, sieht eh keiner, weil man ein großes Umschlagtuch wie ein Zelt um sich schlingt, oder gleich den Mantel anbehält. Fortsetzung folgt

Sonntag, 6. April 2008

Universidad Tecnica Federico Santa Maria

Federico Santa María Carrera hat ein Testament gemacht, am 6. Januar 1920. Er hatte keine Nachkommen, aber ein großes Vermögen, das er mit Zucker in Paris verdient hatte. Ein Freund, chilenischer Diplomat und Zeitungsverleger, Agustín Edwards Mc Clure hat das Testament vollstreckt. In Valparaiso, Santa Marias Heimatstadt, sollte eine Kunsthochschule und eine Technische Hochschule entstehen,eine feine Campus- Uni, nur durch eine Straße vom Pazifik getrennt,mit einer Aula in der Konzerte stattfinden, mit Wohngebäuden, Labors, Gartenanlagen, alle Gebäude im neugotischen Tudorstil. In den ersten 10 Jahren nach der Gründung sollten nur Professoren aus dem Ausland lehren dürfen, die Hochschulen sollten als Internat für die Kinder armer Leute, als Externat auch für Kinder aus der wohlhabenden Bevölkerung sein. Entscheidend für die Aufnahme waren und sind Leistung und Begabung. Für Kinder aus dem Proletariat waren, Kleidung, Verpflegung und Unterkunft kostenlos. Karl Laudien von der Technischen Hochschule Stettin wurde 1932 Gründungsrektor. Die Hochschule wuchs schnell und erwarb sich einen sehr guten Ruf. Seit 1937 hat sie einen eigenen Radiosender mit Kulturprogramm, Musik jeder Sorte, Geschichte und Philosophie. http://wwwmaster.usm.cl/universidad/index.html . Wir gehen manchmal in die Aula in´s Konzert und fläzen uns in´s abgewetze Ledergestühl , geht´s mit? Und vorher steht man auf der Terrasse herum, nippt am brühheißen Neskaffee, der Mond spiegelt sich im Meer, und ein großes Kreuzfahrtschiff fährt aus dem Hafen . Es gibt auch ein Programm für ausländische Studenten.

Freitag, 4. April 2008

Lesetipp

Nee, kein Buch, sondern ein blog einesehemaligen Schülers von Bernhard aus Peißenberg. Er ist zur Zeit für 2 Monate in einer Mapuche -Schule bei Temuco als Praktikant. Das ist ca 600 km von Vina entfernt. Er erlebt ein ganz anderes Chile als wir, sehr interessant! http://chile-tom-carne.the-trueproduction.de/

Mittwoch, 2. April 2008

Salsa

Im 4-Viertel- Takt mit Freddy Mix. Er heißt wirklich so. Schon wegen dieses Namens mußte ich ihn kennenlernen. Freddy Mix ist Werklehrer an der Deutschen Schule Valparaiso und ein Kollege von Bernhard. Freddy Mix gibt Salsa- Kurse, in der Schule und anderswo, für Kinder und Erwachsene. So lernen wir also jetzt jeden Dienstag abend Salsa tanzen in der Aula der Schule. Ganz schön anstrengend. Freddy Mix spart nicht mit Lob, wie es sich für einen Pädagogen gehört, auch wenn sich Füße und Arme verheddern. Wir starren auf seine Füße um wenigstens manchmal das Tempo zu erwischen, in dem Freddy Mix über den Boden tänzelt.