Mittwoch, 19. Dezember 2007

Streik an der DSV von Bernhard


Das hat es noch nie gegeben: an der DS Valpo wird gestreikt. An der Zufahrt zum Schulgelände stehen Trauben von Lehrern und schwenken selbst gefertigte Plakate, auf denen mehr Lohn gefordert wird. Dicke Plastiktüten mit belegten Broten und Thermoskannen mit Kaffee heizen genauso ein wie die lokale Presse und das Fernsehen, die sich mit Freude und Ungenauigkeit auf diese Lokalsensation stürzen. Am Tor und den anderen Zugängen stehen die üblichen Wachen, verstärkt durch den Gerente und Vorstandsmitglieder, und notieren akribisch, welche Lehrer das Gelände betreten und wer nicht. Der Grund: Nur wer herinnen ist, wiewohl er auch dort streikt bzw. nur in seinen Stunden seine Klasse unterrichtet (und keine andere) erhält auch sein Dezember-Gehalt. Kuriositäten des chilenischen Arbeitsrechts...
Drinnen im Schulgelände herrscht geisterhaftes Schweigen. Das großzügige Sportgelände wirkt jetzt, wo kein einziger Schüler dem Ball hinterher rennt noch riesiger. Ein einsamer Auxiliar recht die Aschenbahn. Der Schule fehlt sofort die Farbe, ohne die bunten Schuluniformen und die Schreie der Kinder.

Im Lehrerzimmer ist die Situation ebenso seltsam. Etwa 25 Lehrer sind da. Es sind die Nicht-Syndikalisierten, die vermittelten Deutschen und die Streikbrecher. Und natürlich Aurora, die gute Seele des Hauses, die genauso wie jeden Tag für heißes Wasser sorgt, staubt du wischelt und mitgebrachte Speisen aufwärmt.

Das nervöse Direktorats-Krisenteam übt sich im Krisenmanagement. Alle Schüler, die trotz Telefonkette, E-Mail und diese wundersame Form des indigenen Mundfunks ihre Kinder angeliefert haben, werden in der Aula versammelt, nach Klassenstufen sortiert und zu Gruppen zusammengefasst - wenn die indignierten Eltern nicht doch noch die traurig schauenden Grundschüler mit nach hause zu Oma, Opa oder Nana bringen. Aufteilung in Gruppen, Zuweisung von Räumen und Aufsichtspersonal (Lehrer kann man das heute nicht nennen), ad hoc Programme: Volleyball, Film, weihnachtliche Kopien ausmalen / schnipseln / kleben. Keiner ist so recht begeistert, schon gar nicht die Vermittelten, deren Herz für die geknechteten entrechteten schlägt, deren Einsatz aber von den altgedienten Chilenen gefordert wird: „Es un Colegio Alemán!“ Mein Krisenplan vom Vorabend, der auf freiwilligen Eintrag der Lehrkräfte gerichtet war, war schon beim Aushang Makulatur, stoisch geduldet von den Anwesenden, innerlich höchstwahrscheinlich milde belächelt: der Neue hat halt noch keine Ahnung, wie das hier läuft. Hat er auch nicht!!!

Über den Vormittag hinweg verflüchtigt sich die Schülerzahl v. a. der Oberstufe auf unerklärliche Weise, denn raus aus dem Gelände kommt man nur über die Porteria und mit Genehmigung von Eltern und Sekretariat, wie bei uns. Unser Direktoratsvormittag vergeht im Krisenzentrum wie im Flug mit Sichtung der eingegangenen du eingehenden Nachrichten, E-Mails, Diskussion der Flüsterpropaganda, Mutmaßungen wie es weitergeht, ob man Anregungen zur Schlichtung oder Vermittlung geben soll, wie unter solchen Umständen das Schuljahr mit Noten, Zeugniserstellung und Konferenzen abgeschlossen werden kann und und und...

Gleichzeitig brennt die Vorbereitung des neuen Schuljahres auf den Nägeln. Ich würde gerne die Deputatsverteilung aushängen, Termine für 2008 festlegen, am Weg zum IB arbeiten. Nichts! Nichts von alle dem! Ich muss lernen mich an die Gegebenheiten anzupassen und geduldig zu sein. Nur eins weiß ich schon jetzt: die Folgen des Streiks werden uns noch lange beschäftigen, denn die Konfrontation besteht nicht nur zwischen Gewerkschaft und Vorstand, sondern der Riss geht mitten durch`s Kollegium. Und diese Wunden werden nicht so schnell vernarben.
Anmerkung Katharina: Der Streik ist mittlerweile beendet, Einmalzahlung.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Endlich Internet zu Hause, Juhuu! Endlich eure spannenden Berichte lesen können.
Dass gestreikt wird bei euch für mehr Gehalt - bei uns passiert ja gar nischt und wird gestrichen und gestrichen. Wusst ich z.B. auch nicht, dass Referendare in ihrer Ref.-Zeit genau so viel wie ich am Theater als Assistentin verdienen. Dabei sind die - meiner Meinung nach - viel mehr ausgesetzt als die Theaterleute. Ahja, Vertrag ist übrigens unterschrieben, deshalb das Wissen um mein mageres Gehalt...aber nicht beschweren, dafür darf ich jetzt "Kunst machen" wie das meine Kollegen im Magazin so schön nennen. Achja, seufz.

Jetzt dürftet ihr erstmal entspannen und Weihnachten feiern - so langsam müsstet ihr ja internationale Weihnachtsrituale noch und nöcher draufhaben. Bei uns schwing dieses Jahr ich den Kochlöffel, damit Mama mal AUS DER KÜCHE DRAUßEN bleibt - mal sehen ob ich sie vertreiben kann. Und brech damit eine Tradition im Hofmannschen Haushalt, hähä. Keine Angst, deshalb wird nicht gehungert, da bin ich der Kochmutter zu ähnlich, grins.

Deshalb wünsche ich fröhöliche Weihnachten und einen feuchten Rutsch ins Neue Jahr ohne Erdbeben! Grüße auch an Sophia! Und dass das neue Jahr für Euch so gut beginnt wie für mich. Alles liebe aus dem kalten, winterlichen München!

Die Nina